Falschauskunft - Fahrsicherheitstrainig: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden!

Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Urteil vom 1.7.2004, 12 U 85/04

Der Versicherungsmakler muss Schadensersatz leisten, wenn durch eine Falschauskunft über möglichen Kaskoversicherungsschutz, keine Kfz-Vollkaskoversicherung abgeschlossen wurde. In diesem Fall für ein Training zur Fahrsicherheit auf einer Rennstrecke

 

Leitlinien

Eine umfassende und regelmäßige Betreuung der Versicherungsinteressen eines Kunden inklusive der entsprechenden Beratung gehören zu den Obliegenheiten eines Versicherungsmaklers.

Geht es um ein normales Sicherheitstraining auf einer Rennstrecke und nicht um eine Fahrt zum Erreichen von höchsten Geschwindigkeiten, so ergibt sich daraus kein Risikoausschluss des $ 2 b Nr. 3 b AKB.

 

Grundsätzliches

1.Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 08. 01. 2004 – 8 O 438/03 wird auf die Berufung des Klägers im Kostenpunkt aufgehoben und außerdem sie nachfolgend zu lesen geändert:

Die Beklagte muss dem Kläger 17 817, 64 Euro erstatten. Zusätzlich muss sie auch 5 Prozent Zinsen über dem aktuellen Basiszinssatz seit 01. Mai. 2003 bezahlen. In allen anderen Punkten wird die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung wird in allen weitergehenden Punkten abgewiesen.

3. Der Kläger trägt 53% der Kosten für beide Rechtszüge, die Beklagte übernimmt 47 %.

4. Dieses Urteil gilt als vorläufig vollstreckbar.

5. Eine Revision ist ausgeschlossen.

 

Zur Begründung

1. Die Versicherungsmaklerin wird vom Kläger wegen schuldhafter Falschberatung in Anspruch genommen.

2. Im Jahr 2001 kaufte der Kläger einen Maserati-Spyder Cambiocorse ein 2-türiges Cabriolet. Da mit der Beklagten ein Maklervertrag bestand und sie also seine Versicherungsgeschäfte abwickelte und ihn auch exklusiv beriet, begab sich der Beklagte am 13.11.2001 zur Versicherungsmaklerin.
Auf die Frage des Klägers an Frau E. ob Fahrten auf dem Nürburgring, Hockenheimring oder anderen Rennstrecken unter den Vollkasko-Versicherungsschutz fielen, wurde dies von Frau E. verneint. Aus diesem Grund entschloss sich der Kläger dazu, keine Vollkaskoversicherung abzuschließen.

3. Als der Kläger am 02.03. 2003 ein Fahrsicherheitstraining auf dem Hockenheimring absolvierte, verunfallte er mit seinem Maserati-Spyder. Der daraus resultierende Schaden belief sich auf 41. 612, 49 Euro. Mit Abzug des Selbstbehalts und einer erstatteten Teilkaskoversicherung blieb ein Schaden von 37. 555, 17 Euro, den der Kläger selbst tragen musste.

4. Da der Kläger der Meinung ist, von der Mitarbeiterin der Beklagten nicht richtig beraten worden zu sein und eine falsche Auskunft erhalten zu haben, klagte er auf Schadenserstattung.
Denn ausgenommen vom Versicherungsschutz sind nur solche Fahrten auf Rennstrecken, wo es darum ginge, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen. Alle sonstigen Fahrten, also auch ein Fahrsicherheitstraining sind abgesichert, wenn eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen wurde. Dies ist unstreitig.
Bei korrekter Beratung durch die Mitarbeiterin Frau E. Hätte der Kläger eine Vollkasko-Versicherung abgeschlossen und diese hätte den verursachten Schaden übernommen.

5. Im ersten Rechtszug beantragte der Kläger,

6. das die Beklagte die 37.555,17 Euro zu zahlen hat und zusätzlich 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01. Mai 2003.

7. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

8. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass der Nürburgring oder eben auch der Hockenheimring als Rennstrecken dazu dienen Autorennen zu veranstalten, bei denen man für einen Sieg die höchste Geschwindigkeit erzielen muss.
Unstreitig ist, das nicht von einem Fahrsicherheitstraining gesprochen wurde. So haben die Mitarbeiter nicht wissen können, dass ein Fahrsicherheitstraining auf der Rennstrecke absolviert werden könne.
Der Kläger hätte seine Absicht erwähnen müssen, an diesem Fahrsicherheitstraining teilnehmen zu wollen und korrekt danach fragen müssen. Hätte er dies getan, so hätte er die richtige Antwort bekommen, dass dieses Training durch die Vollkasko-Versicherung abgesichert werden könnte.

9. Auf das Urteil des Landgerichts wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird verwiesen und dieses wies die Klage ab. Denn die Mitarbeiter der Beklagten habe die spezielle Frage des Klägers nur auf die Durchführung eines Rennens bezogen. Dies habe sich aus dem Inhalt und Wortlaut der Frage für sie so objektiv ergeben. Für sie war nicht zu verstehen, dass es dabei um ein Fahrsicherheitstraining oder einer Besichtigungs- oder Erprobungsfahrt auf den Hockenheimring oder Nürburgring mit dem Sportwagen gehen würde. Daher gab sie eine aus ihrem Verständnis der Frage korrekte Auskunft und ihr kann kein schuldhaftes Verhalten angelastet werden.

10. Der Kläger ging in die Berufung und verfolgt so sein Begehren unter Sicht seines Standpunktes weiter. Die Beklagte dagegen beantragt die Berufung zurückzuweisen und verweist auf das Urteil des Landgerichtes.

11. Die weiteren Einzelheiten der beiderseitigen Anliegen sind aus den gewechselten Schriftsätzen zu entnehmen.


II.
12. Die Berufung ist teilweise erfolgreich. Die Beklagte hat dem Kläger, wegen falscher Beratung durch ihre Mitarbeiterin, einen Schadensersatz von 17. 817, 64 Euro zu zahlen.

13. Der Senat sieht, im Gegensatz zum Urteil des Landgerichts, eine Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem Exklusiv-Maklervertrag, der zwischen beiden Parteien besteht.

14. Eigentlich ist es Aufgabe des Versicherungsnehmers sich um den Versicherungsschutz, den er benötigt zu kümmern und sich auch darüber entsprechend zu informieren.
Da der Kläger mit der Beklagten allerdings einen Exklusiv-Maklervertrag hat, schuldet diese ihm eine umfassende Betreuung seiner Versicherungsinteresse und auch eine entsprechende Beratung (vgl. Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl., nach § 48 Rn.5).
Daher hätte die Mitarbeiterin der Beklagten auf die Frage des Klägers, ob die Fahrten auf Rennstrecken, wie dem Nürburgring oder dem Hockenheimring vom Vollkasko-Schutz des Maseratis abgesichert wären, eine Beratung und eine vollständige und korrekte Auskunft abgeben müssen.

15. Die Frage des Klägers umfasste sämtliche Fahrten auf Rennstrecken und nicht, wie die Auffassung des Landgerichtes war, nur die Fahrten im Rahmen von Rennen.
Gemäß §2 b Nr.3 b bei der in Versicherungsverträgen normalerweise vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung  (AKB) ist der Vollkaskoschutz eben nur für solche Fahrveranstaltungen ausgeschlossen, die der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dienen oder den dazugehörigen Übungsfahrten.
Dies hätte die Mitarbeiterin so dem Kläger mitteilen und es ihm auch erklären müssen. Denn dann wäre für ihn ersichtlich gewesen, dass ein Vollkaskoschutz für das von ihm beabsichtigte Fahrsicherheitstraining gegeben gewesen wäre.

16. Durch die vollständige Verneinung der Frage ohne Differenzierung handelte die Mitarbeiterin der Beklagten pflichtwidrig, denn sie gab eine unvollständige Auskunft über den möglichen Versicherungsschutz. Nach §§ 276, 278 BGB muss die Beklagte für diesen Fehler einstehen. Es ist für die Beklagte keine Entlastung, dass die Mitarbeiterin die Frage subjektiv nur auf die eingeschränkten Rennveranstaltungen bezogen habe.
Vielmehr hätte die Mitarbeiterin hätte bei entsprechender Sorgfalt erkennen müssen, dass ihr Verständnis der Frage nicht dem sachlichen Erklärungswert der gestellten Frage des Klägers entsprach.

17. Im zweiten Rechtszug gab die Beklagte an, bei dem Fahrsicherheitstraining des Klägers habe es sich um eines gehandelt, was im Höchstgeschwindigkeitsbereich der Fahrzeuge
stattfinde und so gemäß § 2 b Nr. 3 b AKB nicht versichert ist. Dieser Vortag ist nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zulässig. Denn dieser Vortrag hätte schon im ersten Rechtszug geltend gemacht werden müssen. Eine normales Fahrsicherheitstraining, welches nicht der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dient, unterliegt nicht dem Risikoausschluss des § 2 b Nr.3 b AKB (vgl. Prölss/Martin/ Knappmann, a.a.O., § 2b AKB Rn. 62, OLG Hamm RUS 1990, 43).

18. Dem Kläger ist durch die nicht pflichtgemäße Auskunft ein Schaden entstanden.

19. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger, wäre, er vollständig und korrekt beraten worden, die Beklagte mit dem Abschluss eines Vollkasko-Versicherungsvertrages beauftragt hätte. Dies wenigstens für die Zeit des Fahrsicherheitstrainings im März 2003 oder aber beim Veranstalter des Sicherheitstrainings nach einem Vollkaskoschutz für die Trainingszeiten gefragt hätte. Einen Gegenbeweis, dass der Kläger keinen solchen Vertrag abgeschlossen hätte, konnte von der Beklagten nicht erbracht werden.

 20. Der Kläger hat einen Schaden in Höhe der entgangenen Vollkaskoabdeckung. Die erhaltene Teilkaskoleistung wurde davon abgezogen.
Obwohl die Beklagte sich auf § 61 VVG berief und bestritt, dass der es zu einem Versicherungsfall kam, da der Kläger den Unfall durch grob fahrlässiges Verhalten herbeiführte, ist dieser Vortrag unerheblich im Ergebnis. Der Kläger hatte nämlich im ersten Rechtszug ohne Widerspruch behauptet, es würde von Versicherungsgesellschaften auch ohne erhöhte Prämien Vollkaskoversicherung angeboten, welche auch bei grober Fahrlässigkeit zahlen, außer es handle sich um Fahrzeugdiebstahl oder einen Unfall durch Alkohol- oder Drogeneinfluss.
Es ist so also anzunehmen, dass der Kläger, wäre, er korrekt beraten worden, einen solchen Versicherungsvertrag abgeschlossen hätte. Dann hätte Vollkaskoschutz auch bei grober Fährlässigkeit bestanden.

21.3. Ein Mitverschulden von 50% in Bezug auf die Entstehung des Schadens gemäß § 254 Abs.1 BGB wird dem Kläger aber angelastet. Denn er hätte seine Fragestellung auch konkreter ausdrücken können oder aber nach der Aussage der Mitarbeiterin der Beklagten sich nochmals zu vergewissern, ob auch wirklich für die Fahrten im Rahmen des Sicherheitstrainings kein Vollkaskoschutz möglich wäre.
Obwohl er ein Laie auf versicherungsrechtlichem Gebiet sei, hätte ihm der Gedanke kommen müssen, dass es möglich sein müsse, eine andere Risikoeinstufung vorzunehmen, als bei einem meist schadensträchtigen Autorennen. So bewertet der Senat den Mitverschuldensanteil des Klägers mit 50 Prozent.

22.4. Die folgende Berechnung des Erstattungsbetrages ergibt sich aus § 287 ZPO:


24.5 Da der Zahlungsverzug der Beklagten unstreitig seit dem 01.05.2003 besteht, sind ab diesem Zeitpunkt Zinsen zu erstatten.

25.6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es bestehen gemäß 543 Abs. 2 ZPO keine Gründe für eine Zulassung der Revision.

Quelle: https://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung