Was tun, wenn die Versicherung nicht zahlt?

To-do-Liste für Opfer zahlungsunwilliger Versicherer

An sich stehen die Zeichen auf Besserung. 2015 legten lediglich 9.746 Versicherungsnehmer bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin Beschwerde ein. Im Jahr zuvor waren es noch 11.139. Des ungeachtet ist diese erfreuliche Bilanz ein schwacher Trost für jene 1.252 Beschwerdeführer, die das Gebaren ihrer Kfz-Versicherer beanstandet haben. Bagatellschäden in Größenordnungen von ein paar Hundert Euro sind dabei nicht das Problem. Sie werden von Versicherern in der Regel anstandslos beglichen. Stehen indes hohe sechsstellige Schadenersatzansprüche ins Haus, wie dies bei Berufsunfähigkeit nach einem schweren Verkehrsunfall nicht selten der Fall ist, ist es um die Zahlungsmoral der Versicherer vielfach denkbar schlecht bestellt. Das Ungleichgewicht der Kräfte tut ein Übriges. So ist es den Konzernen ein Leichtes, ihre Interessen zu wahren. Dass im Lichte dessen Versicherungsnehmer nur allzu bereit sind, einem unfairen Vergleich zuzustimmen, verwundert wenig. Das muss aber nicht sein.

 

Erste Hilfe durch Verbraucherschutzorganisationen

Oft hapert es schlicht und ergreifend am Wissen. Die Unkenntnis ihrer Kunden machen sich die Versicherer schamlos zu Nutze. Deshalb ist es wichtig, als Versicherter von Beginn an mit seiner Versicherung ein Gespräch auf Augenhöhe führen zu können. Möglich ist das durch den Kontakt mit Verbraucherschutzorganisationen. Wer sich nicht zu schade ist, in der örtlichen Verbraucherzentrale oder beim Bund der Versicherten e.V. (BdV) vorbeizuschauen, findet umfassenden Rat. Die Verbraucherschützer machen sich ein Bild von den Problemen mit der Kfz-Versicherung und klären den Versicherten über seine Rechte und Pflichten auf. Dabei bietet die Verbraucherzentrale neben einer kostenpflichtigen Schadensfallberatung die Möglichkeit, durch einen Anwalt eine außergerichtliche Einigung mit dem Versicherer zu erzielen. Auch der BdV berät nach besten Kräften und begleitet zudem die Verbraucher juristisch durch alle Instanzen in Fällen von allgemeinem Interesse.

 

Ehrlichkeit zahlt sich aus

Einer Sache muss sich der Versicherungsnehmer stets bewusst sein: Egal wie gut er sich informiert hat, der Sachbearbeiter ist und bleibt der Experte. Er hat tagtäglich mit unzähligen Schadensmeldungen zu tun, kennt von daher die Griffe und Kniffe, mit denen Kunden arbeiten. Ertappt er den Versicherten bei einer Lüge, wird er nichts unversucht lassen, ihm unabhängig von der Schadenshöhe einen Versicherungsbetrug oder wenigstens den versuchten Versicherungsbetrug zu unterstellen. Das gilt für die Kfz-Versicherung ebenso wie für die Haftpflichtversicherung. Speziell im Haftpflichtfall ist der Versicherte denkbar schlecht beraten, sich mit falschen Angaben ins rechte Licht zu rücken. Geben die Eltern beispielsweise vor, das Kind immer im Auge behalten zu haben, während sie de facto ins Gespräch mit den Nachbarn vertieft waren, können sie nicht für den Schaden, den das Kind am Auto angerichtet hat, haftbar gemacht werden. Die Folge ist, dass die Haftpflichtversicherung nicht zahlt.

 

Kommunikation für eine zügige und unkomplizierte Schadensregulierung

Die Erfahrung zeigt, dass dem Versicherten viel Ärger mit der Kfz-Versicherung erspart bliebe, wenn es um die Kommunikation zwischen ihm und der Versicherung bestens bestellt wäre. So fühlen sich Unfallverursacher regelmäßig versucht, den Schaden sofort aus eigener Tasche zu bezahlen, sofern die Geschädigten Freunde oder Bekannte sind. Weit gefehlt jedoch, zu glauben, dass der Versicherer verpflichtet ist, für geleistete Zahlungen aufzukommen.

Ähnliches gilt für die Kaskoversicherung. Wer eine Vollkasko abgeschlossen hat und es verabsäumt, den Schadensfall unverzüglich zu melden oder den Schaden durch die Abdichtung von Fensterscheiben etwa zu minimieren, darf sich nicht wundern, wenn das Versicherungsunternehmen nicht zahlt. Oberstes Gebot ist es von daher, mit dem Versicherer unmittelbar nach dem Verkehrsunfall Kontakt aufzunehmen und alle Unklarheiten im Vorfeld zu beseitigen. Was tun kann das Versicherungsunternehmen für den Versicherten naturgemäß lediglich dann, wenn sämtliche Meldefristen, Weisungen und Formalitäten eingehalten werden. Mit ein paar simplen Fragen ist der Sache bereits Genüge getan. Weiß der Versicherte, was von ihm erwartet wird, mit welcher Entschädigungssumme zu rechnen ist, welche Werkstattauflagen zu beachten sind und ob ein Gutachten vor der Reparatur des Wagens einzuholen ist, ist alles im grünen Bereich. Dann steht kaum zu befürchten, dass der Kasko-Versicherer nicht zahlt.

 

Mit Hartnäckigkeit gegen Verzögerung oder Ablehnung

Grundsätzlich sind alle Geschädigten, die keine Schuld am Unfall trifft, gut beraten, sich unverzüglich um eine Rechtsberatung umzutun. In diesem Fall hat nämlich die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers die Anwaltskosten zu bestreiten.

Gebot der Stunde ist dies namentlich dann, wenn der Versicherungsnehmer allen Verpflichtungen nachgekommen ist und sich die Bearbeitung seines Anliegens aus unerfindlichen Gründen in die Länge zieht. Eine kurze Nachfrage beim zuständigen Sachbearbeiter ist selbstredend auch ohne Anwalt möglich. Ausgeschlossen ist schließlich nicht, dass der Versicherte noch was tun und ein paar fehlende Unterlagen nachreichen muss.

Auch gesetzt den Fall, dass der Versicherer weniger leistet oder überhaupt nicht zahlt, ist eine Nachfrage zur Klärung der Leistungskürzung oder -ablehnung ratsam. Eine Beschwerde ist beim Vorstand ebenso möglich wie beim Sachbearbeiter. Hält das Unternehmen nach erneuter Prüfung der Sachlage weiterhin an der Leistungskürzung oder -ablehnung fest, ist eine ausführliche schriftliche Begründung der Geschäftsleitung für weitere Schritte nützlich.

 

Beschwerde bei Ombudsleuten und Aufsichtsbehörden einlegen

Wenn ein Versicherer nicht zahlt und alle Bemühungen um eine Einigung erfolglos sind, können Versicherte immer noch was tun. Mit Ombudsleuten und Aufsichtsbehörden bleiben ihnen zwei weitere Beschwerdemöglichkeiten. Ihre Anschriften findet der Geschädigte im Kleingedruckten des Versicherungsvertrags am Schluss.

Es empfiehlt sich, erst mit dem Ombudsmann in Verbindung zu treten. Aus zweierlei Gründen. Zum einen unterbricht sein Einschreiten die Verjährung, mit der nach drei Jahren Versicherte keine Anspruchsberechtigung mehr haben. Zum anderen entscheidet der Ombudsmann über den individuellen Einzelfall, während die BaFin das generelle Gebaren der Assekuranzen prüft, um allenfalls regelwidriges Verhalten künftig zu unterbinden.

 

Klärung des individuellen Einzelfalls durch den Ombudsmann

Die meisten deutschen Versicherer haben sich aus freien Stücken für diese privaten Streitschlichter, genannt Ombudsleute, ausgesprochen. Die Ansiedlung der Schlichtungsstellen bei den Interessenverbänden der Unternehmen ändert nichts an der grundsätzlichen Unabhängigkeit der Ombudsleute. Sie sind für eine bestimmte Zeit in Amt und Würden und dürfen durch ungünstige Entscheidungen für die Unternehmen nicht vorzeitig entlassen werden.

An sich kann der Versicherungskunde mit dem Versicherungsombudsmann was tun, ohne dafür bezahlen zu müssen. Alternativ zum kostenlosen Anruf der Schlichtungsstelle steht es dem Versicherten natürlich frei, sich durch einen kostenpflichtigen Anwalt beim Ombudsmann vertreten zu lassen. Inwieweit eine Rechtsschutzversicherung für die Anwaltskosten aufkommt, ist im Einzelfall vorab zu klären.

Punkto Kfz-Versicherung sind es hauptsächlich Vertragsstreitigkeiten rund um die Haftpflicht- und Kaskoversicherung, die auf den Tischen der Ombudsleute landen. Die meisten Beschwerdeverfahren vermögen sie innerhalb von drei Monaten abzuschließen. Während die Entscheidung des Ombudsmanns für den Beschwerdeführer nicht bindend ist und ihm von daher nach wie vor den Gang vor den Kadi einräumt, ist sie für die Versicherungsunternehmen bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro zu akzeptieren. Verdonnert der Ombudsmann also das Versicherungsunternehmen zu einer Zahlung bis zur genannten Höhe, muss es dieser Anordnung auch Folge leisten.

Zur Beilegung von Streitigkeiten in Versicherungsangelegenheiten durch den Ombudsmann bedarf es lediglich der Bekanntgabe des eigenen Namens und der eigenen Anschrift, des Namens und der Anschrift des Versicherers, der Art der Versicherung, der Nummer des Versicherungsscheins und allenfalls der Schadennummer. Werden der Beschwerde dann noch Vertrag, Abrechnungen, Versicherungsschein und Schriftwechsel in Kopie beigefügt, kann der Ombudsmann zur Tat schreiten.

 

Allgemeine Prüfung von Verstößen durch die BaFin

Kostenfrei ist auch die Beschwerde bei der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Brief, Fax oder E-Mail genügt, um sich mit ihr ins Benehmen zu setzen. Die Beschwerde muss Aufschluss über die Kontaktdaten des Verbrauchers und den strittigen Sachverhalt geben und alle für das Verständnis unerlässlichen Unterlagen wie Versicherungsvertrag und Schriftwechsel mit dem Versicherer in Kopie enthalten.

Anschließend prüft die BaFin, ob sich das betreffende Versicherungsunternehmen an die verbindlichen gesetzlichen Vorgaben hält oder ein aufsichtsrechtliches Einschreiten angezeigt ist. Die BaFin darf aber kein Gutachten erstellen, keine Rechtsberatung erteilen und in laufende Verfahren nicht eingreifen. Vor allem kann die BaFin keine verbindliche Rechtsentscheidung treffen.

Über das Prüfergebnis informiert die BaFin den Beschwerdeführer längstens nach zwei Monaten. Auch wenn die BaFin keine unmittelbare Hilfe ist, ist ihr Einschreiten nicht selten Grund genug für den Versicherer, einzulenken und dem Versicherten seine Ansprüche zuzubilligen. Insbesondere kann eine solche Beschwerde freilich allen Verbrauchern nützen, wenn sie künftig gesetzwidriges Verhalten des Versicherungsunternehmens ausschließt.

 

Der Gerichtsweg will überlegt sein

Was tun, wenn Ombudsmann und BaFin ein Schuss in den Ofen sind? In diesem Fall dürften die Chancen, auf dem Gerichtsweg Recht zu bekommen, denkbar schlecht sein. Bevor die Klärung vor Gericht gesucht wird, ist die Rechtsberatung jedenfalls unerlässlich. Bei einem unbedeutenden Streitwert lohnt sich der Gang vor den Kadi ohnehin nicht, geht es hingegen um hohe Beträge, ist das Prozessrisiko erheblich.

Helfen kann in diesem Fall eine Verkehrsrechtsschutzversicherung. Sie kommt vertragsabhängig für die Kosten des eigenen Anwalts und bei Niederlage vor Gericht auch für die Kosten des gegnerischen Anwalts auf. Zudem deckt sie für gewöhnlich die Gerichtskosten, Sachverständigenkosten und Kosten für allfällige Zeugen. Ohne Verkehrsrechtsschutzversicherung bietet sich die Wahl eines Fachanwalts für Verkehrsrecht an, wenn es um einen Verkehrsunfall geht.

 

Vorbeugen ist besser als heilen – Tipps für den Versicherungsabschluss

Ein Vergleich der Vertragsbedingungen lohnt sich

Solange die Versicherungsunternehmen den Betrug nicht zum Geschäftsmodell erklären, besteht Hoffnung. Je mehr Gedanken sich der Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss macht, desto weniger besteht die Gefahr böser Überraschungen. Die Leistungen der Kfz-Versicherer sind nämlich höchst unterschiedlich. Punkt a) werden nicht alle Schadensfälle von sämtlichen Anbietern gleichermaßen gedeckt, Punkt b) sind manche Schadensleistungen von vornherein vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

Wer etwa eine Vollkasko abschließt, tut dies für gewöhnlich ausschließlich dann, wenn ihn die Beschädigung oder der Verlust des Fahrzeugs vergleichsweise teuer zu stehen käme. Versichert sind damit regelmäßig Fahrzeugschäden durch selbstverschuldete Unfälle, Vandalismus sowie Fahrerflucht Unbekannter. Ausgeschlossen vom Schadenersatzanspruch sind hingegen von vornherein vorsätzlich herbeigeführte Schäden und Schäden durch Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Doch selbst der Unfall, der einem Niesanfall des Fahrers geschuldet ist, kann zum Ausschluss des Schadenersatzanspruchs führen. Dies dann, wenn die Vollkasko ohne Einschluss der groben Fahrlässigkeit abgeschlossen wurde. Die grobe Fahrlässigkeit ist in der Vollkaskoversicherung nämlich ein Sonderfall und lässt viel Interpretationsspielraum zu.

 

Auf das Kleingedruckte kommt es an

Einen Zusammenhang zwischen Prämienhöhe und Leistungsbereitschaft von Versicherungen gibt es nicht. Versicherern, die durch ihre Internetpräsenz Vertriebs- und Verwaltungskosten sparen, haben naturgemäß die Möglichkeit, die Kostenvorteile an die Kunden weiterzureichen. Dafür ist auf das Kleingedruckte umso mehr zu achten. Ideal wären leicht verständliche Klauseln, um gute und schlechte Vertragsbedingungen sofort unterscheiden zu können. Nachdem die Vertragsbedingungen aber unterschiedlich klar formuliert sind, ist ins Studium des Kleingedruckten entsprechende Zeit zu investieren. Immerhin geht es um viel Geld. Für Versicherer, mehr aber noch für Versicherte.

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