Ärger mit der Versicherung: Verschleppungstaktiken, Zahlungskürzungen und vorsätzlicher Betrug

An allen Ecken und Enden zu sparen ist ihr gutes Recht. Immerhin haben die deutschen Versicherungskonzerne im KFZ-Sektor einmal mehr mit steigenden Kosten zu kämpfen. So erhöhten sich ihre Leistungen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 5,9 % auf 21,9 Milliarden Euro. Auch sind es die Versicherer leid, von schamlosen Betrügern über den Tisch gezogen zu werden. Des ungeachtet ändert das nichts an der Tatsache, dass es nicht angeht, mit dem sogenannten organisierten Schadenmanagement Unschuldigen das Leben zur Hölle zu machen und sie auf skrupellose Weise um ihre berechtigten Ansprüche zu bringen.

 

In den Fängen des organisierten Schadenmanagements der Versicherer

Aerger mit der Versicherung
Was es heißt, mit Griffen und Kniffen zu arbeiten, erfahren Versicherungskunden zu ihrem großen Leidwesen regelmäßig erst im Schadensfall. Informationen im Vorfeld verhindern zwar nicht, Zeter und Mordio zu schreien, sie sind aber unstreitig eine brauchbare Stütze im Kampf gegen die Übervorteilung der Konzerne. Die Möglichkeiten der Gaunerei sind dabei so vielfältig wie unvorstellbar. Ins Unreine gesprochen reichen sie von Irreführung über Missbilligung und Unterstellung bis hin zu Verschleppung und Ablehnung. Bereits Francis Bacon hat gesagt, dass Wissen Macht sei. Von daher schadet es nicht, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, um als Autofahrer im Ernstfall wirksam den Praktiken der Versicherer die Stirn bieten zu können.

 

Die Irreführung

Für gewöhnlich setzen sich Haftpflichtversicherer eher heute noch als morgen mit dem Unfallopfer ins Benehmen. Geschädigte sollten deshalb nicht überrascht sein, bereits am Tag nach dem Unglück vom Versicherer der Gegenpartei zu hören.

Gleich zum Auftakt des Gesprächs kriegen Unfallopfer die Vorzüge der Unfallabwicklung durch den Haftpflichtversicherer zu hören. Dass sie mit ihrer allfälligen Einverständniserklärung dem Versicherer quasi einen Freibrief für die Manipulation ausstellen, bedenken die wenigsten Geschädigten.

 

Angebot eines windigen Gutachters

Jeder Autofahrer hat es in der Hand, das trügerische Angebot der Versicherung auszuschlagen und sich selbst um einen unabhängigen KFZ-Sachverständigen umzutun. Ungeniert darf er ab einem Betrag von 715 Euro die Kosten auf die gegnerische Haftpflichtversicherung abwälzen.

Das Gutachten dient als Grundlage der Schadensregulierung und enthält alle dafür maßgebenden Größen wie Wertminderung, Wiederbeschaffung oder Restwert. Nachdem die Versicherung auf ebendiese Parameter Einfluss zu nehmen versucht, ist es opportun, die Frage des Gutachters nicht leichtfertig dem Gegner zu überlassen.

In der Tat sehen sich die KFZ-Sachverständigen der Versicherungen gezwungen, sich den Arbeitsanweisungen ihrer Brötchengeber zu beugen und Gefälligkeitsgutachten zu erstellen. So verlangen Versicherer von ihren Gutachtern etwa, dass Entsorgungskosten nicht anders als Kosten für Richtwinkel in der Kalkulation außen vor bleiben. Aus Furcht vor Sanktionen durch rigorose Auftragskürzungen oder unliebsame Zahlungsverschleppungen willfahren die Sachverständigen den Wünschen der Versicherungen. Dass sie damit wissentlich für rechtswidrige Kürzungen der Ersatzansprüche eintreten, nehmen sie billigend in Kauf.

Mit der Kollektivschuld lebt es sich freilich herrlich und in Freuden. Wenn es realiter keine wirklich unabhängigen Sachverständigen gibt und faktisch jedem das Hemd näher ist als der Rock, müssen sich die bezahlten Schergen der Versicherer aber auch kein Gewissen machen. Hinzu kommt, dass selbst mit den unabhängigen, vom Geschädigten beauftragten KFZ-Sachverständigen bloß eingeschränkt etwas anzufangen ist. Deren Gutachten werden schließlich von den gegnerischen Haftpflichtversicherungen nach Strich und Faden geprüft.

Controlexpert, Eucon, Check-it, Dekra und SSH nennen sich diese externen Kontrollinstanzen der Versicherer. Durch die Hände von Controlexpert laufen jahraus, jahrein 1,5 Millionen Kostenvoranschläge von KFZ-Werkstätten.

Nicht genug damit. Vielfach gehen Versicherer her und bieten dem Geschädigten einen Alternativgutachter an. Stößt auch dieser auf wenig Gegenliebe, erdreistet sich die Versicherung, dem Geschädigten fehlendes Interesse am Schadenersatz zu unterstellen. Immerhin müsse eine zweite Meinung möglich sein, auch wenn sie auf keiner gesetzlichen Grundlage beruht. Lediglich für den Fall verdächtig gehäufter Schadensfälle darf sich der Versicherer auf die Verpflichtung eines weiteren Gutachters berufen.

 

Kooperation mit zwielichtigen Werkstätten

Nachdem die Versicherung für eine fachgerechte Reparatur aufkommen muss, ist nicht einzusehen, dass der Geschädigte seinen Unfallwagen gekauften Kurpfuschern überantwortet. Und wenn die Worte der Versicherung noch so verheißungsvoll klingen und die von ihr empfohlene Werkstatt den perfekten Service verspricht, ist der Geschädigte denkbar schlecht beraten, sich auf diesen Kuhhandel einzulassen. An Möglichkeiten, Kosten zu sparen, gebricht es Mechanikern nämlich nicht. So ist dem Unfallopfer mit gebrauchten Ersatzteilen ebenso wenig gedient wie mit ausgebeulten Teilen, die ausgetauscht gehören. Ganz abgesehen davon könnte der Geschädigte seinen Marktbeitrag leisten, wenn er eine vertrauenswürdige Fachwerkstatt die realen Verdienstmöglichkeiten ausschöpfen ließe.

 

Die Missbilligung

Belanglosigkeit eines Rechtsbeistands

Weit gefehlt, zu glauben, dass ein Anwalt ausschließlich im Streitfall auf Kosten des Schädigers bestellt werden darf. Das Opfer hat Anspruch auf die Erstattung aller im Zusammenhang mit dem Unfall entstehenden Kosten. Von daher steht ihm auch das Recht zu, einen von ihm beauftragten Anwalt mit der gesamten Unfallabwicklung zu betrauen.

Der Geschädigte ist gut beraten, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen und die verständlichen Einwände der Haftpflichtversicherung zu ignorieren. Zwar kosten Anwälte naturgemäß was, komplizierter wird durch sie der Schadensfall aber mitnichten. Vielmehr ist es ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Mandanten über alle möglichen Schadenersatzforderungen ins Bild zu setzen. So denken die wenigsten Geschädigten an Verbringungskosten, Schmerzensgeld oder Nutzungsausfall.

 

Verbot der Marken-Werkstatt

Gesetzt den Fall, dass der Wagen bereits sichtlich in die Jahre gekommen ist, darf die Versicherung die Marken-Werkstatt ablehnen. An sich hat der Geschädigte aber das Recht, mit der Werkstatt seiner Wahl seinen Unfallwagen wieder auf Vordermann zu bringen.

Selbst für den fiktiv abgerechneten Unfallschaden, bei dem der Versicherer den Geschädigten in Höhe der Schadensumme auszahlt, ist der Stundensatz einer Marken-Werkstatt zulässig. Der Versicherer ist deshalb nicht befugt, mit dem abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller einschlägigen Marken- und Fachwerkstätten, kurz MSV genannt, zu liebäugeln.

 

Gebot der Kürzung

Auch ohne den fiktiv abgerechneten Unfallschaden, der naturgemäß Argwohn bei der Assekuranz weckt, prüft die Versicherung die Schadensumme gründlich. Nicht von ungefähr ist in einem Drittel aller Fälle mit Kürzungen zu rechnen. Dass sie sich damit am Rande des Betrugs bewegt, schert die Versicherung nicht die Bohne.

Regelmäßig nehmen Versicherungen Anstand an Ersatzteilaufschlägen, Transportkosten, Stundensätzen oder kostspieligen Messinstrumenten wie Richtwinkeln. Nicht weniger gern beanstanden sie die merkantile Wertminderung. Nach welchen Regeln sie allerdings realiter kürzen, bleibt Otto Normalverbraucher ein Buch mit sieben Siegeln.

Viele Opfer sind sich nicht einmal der ungerechtfertigten Schmälerungen ihrer Entschädigung bewusst. Entsprechend wenig Gegenwehr gibt es. Und einen Anwalt schalten darob faktisch keine Opfer ein. Falls sie dies allerdings tun, ist davon auszugehen, dass vormalige Abstriche aus heiterem Himmel wieder rückgängig gemacht werden.

Sich als Geschädigter einen Kopf um die Kalkulation der Versicherung zu machen ist allein schon deshalb ratsam, weil die Streichtrupps vielfach von einer persönlichen Begutachtung des Unfallwagens absehen. Statt sich also vor Ort über das Schadensausmaß ein Urteil zu bilden, schauen sie lieber in ihre lieb gewonnenen Datenbanken und stellen biedere Vergleiche an. Überschreitet der Kostenvoranschlag des KFZ-Sachverständigen die üblichen Richtwerte, fallen gezwungenermaßen einzelne Reparaturdetails dem Rotstift zum Opfer.

 

Verzicht auf einen gleichwertigen Ersatzwagen

Jedem Geschädigten steht ein Nutzungsausfall oder ein gleichwertiger Ersatzwagen zu. Solange sich der Mietwagen mithin nicht in einer höheren Fahrzeugklasse bewegt, ist die Versicherung des Schädigers zur Erstattung der Mietkosten verpflichtet.

Die Praxis vieler Versicherer, mit einem günstigeren Leihwagen Kosten zu sparen, ist von daher inakzeptabel. Namentlich wenn der Lieferwagen zur Berufsausübung benötigt wird, ist dem Geschädigten mit einem Kombi mitnichten gedient. Ebenso ist es aber nicht nötig, sich mit der Mittelklasse für die Dauer der Reparatur zu bescheiden, wenn die Oberklasse zum Alltag gehört.

 

Die Unterstellung

Opportunität des Totalschadens

Als Totalschaden wird ein Unfallwagen eingestuft, wenn die Reparaturkosten höher sind als der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts. Versicherer fühlen sich deshalb versucht, dem Geschädigten den Verzicht auf die Reparatur zu Gunsten der Abrechnung auf Totalschadenbasis einzureden. Zulässig ist dies regelmäßig dann, wenn die 130%-Regelung nicht greift und sich die Versicherung auf keine künstliche Konstruktion des Totalschadens eingelassen hat.

Künstlich herbeiführen lässt sich der Totalschaden spielend leicht entweder durch eine trügerische Erhöhung des Reparaturaufwands oder durch eine nicht minder trügerische Senkung des Wiederbeschaffungswerts. Die Crux ist, dass sich bei einem Totalschaden mit dem geringen Wiederbeschaffungswert selten ein gleichwertiges oder wenigstens vertretbares Fahrzeug kaufen lässt. Deshalb ist die Reparatur selbst dann eine Überlegung wert, wenn die Kosten in der Tat wider Erwarten hoch sind.

Mit der 130%-Regelung kommt der Gesetzgeber dem Unfallopfer wenigstens teilweise entgegen. Mit ihr ist selbst dann eine Reparatur auf Kosten des Versicherers möglich, wenn die Reparaturkosten höchstens 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Des Weiteren ist die Nutzung und fortlaufende Versicherung des Fahrzeugs für wenigstens 6 Monate ab dem Unfalltag zwingend. Die Reparatur muss den Vorgaben des KFZ-Sachverständigengutachtens genügen und durch eine Rechnung belegt sein. Während Billigreparaturen ohne vollständige Wiederherstellung des Wagens ausgeschlossen sind, erlaubt die 130%-Regelung die fachgerechte Eigenreparatur mit einer Kontrolle durch einen Sachverständigen.

 

Koketterie mit einem höheren Restwert

Auf den Punkt gebracht ist die Sache schlicht die: je höher der Restwert, desto besser für die Versicherung. Immerhin wird der Restwert bei einem Totalschaden von der Entschädigungssumme subtrahiert. Deshalb ist es im Interesse der Versicherer, mit gekauften Gutachtern für höhere Restwerte zu sorgen. Statt für ihre Berechnung die niedrigeren Tarife des regionalen Markts heranzuziehen, verwenden die Gutachter die höheren Preise bundesweiter Onlinebörsen.

Eine andere Möglichkeit, den erwünschten hohen Restwert herbeizuführen, ist die Beanstandung eines übereilten Verkaufs. An sich ist der Verkauf des Wracks bei einem Totalschaden üblich, die Einholung mehrerer Angebote ist jedoch zwingend. Werden mehrere Angebote eingeholt und erhält der Höchstbietende den Zuschlag, vermag die Versicherung keinen höheren Restwert geltend zu machen. Lediglich bei einem vorliegenden Gutachten braucht es diesen überlegten Verkauf des Wracks nicht und ist die Versicherung verpflichtet, den ausgewiesenen Restwert in die Berechnung der Schadenersatzleistung einzubinden.

 

Bezichtigung der Mitschuld

Im höchsten Maße absurd ist die Unterstellung einer Teilschuld. Schließlich kennt sie ein eindeutiger Haftpflichtfall nicht. Solch plumpe Einschüchterungsversuche tut der Geschädigte am besten mit dem Verweis auf seinen Anwalt ab.

 

Die Verschleppung

Nichtbeachtung der Korrespondenz

Nicht minder schäbig ist die Behauptung der Versicherer, der Geschädigte habe es verabsäumt, fristgerecht die entsprechenden Formalitäten zu erledigen. Diese Missachtung termingerechter Einreichungen entbinde endlich die Versicherung von der Entschädigungspflicht. Ratsam ist es deshalb, sich als Geschädigter stets per Einschreiben an die Versicherung zu wenden.

 

Sachverständige ohne Ende

Ähnliches widerfährt dem Geschädigten, wenn sich die Versicherung bemüßigt fühlt, ihn im Falle eines Personenschadens von einem Sachverständigen zum anderen zu schicken. Sowie der Geschädigte schließlich mit dem letzten Gutachten antanzt, wird behauptet, die Frist für die Schadensregulierung sei inzwischen abgelaufen.

 

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist regelrecht schon der Standard im Rahmen der Leistungsprüfung bei einer behaupteten Berufsunfähigkeit infolge des Unfalls.

 

Die Ablehnung

Gerichtsverfahren durch Rechtsverdrehung

Richtig unangenehm für Geschädigte wird die erzwungene Verlagerung des Entschädigungsverfahrens in den Gerichtssaal. Der Gang vor den Kadi ist stets dann unerlässlich, wenn dem Geschädigten die Schuld am Unfall angelastet wird oder die Versicherung schlechtweg die Wahrheit verleugnet. Diese Gefahr dräut namentlich dann, wenn durch Personenschäden der Versicherung jahrzehntelange Rentenzahlungen ins Haus stehen.

In praxi heißt das für die Opfer mithin, erst einmal von der Versicherung keinen müden Cent zu kriegen und sich obendrein mit hohen Anwaltskosten und einem nicht minder hohen Prozessrisiko arrangieren zu müssen. Erfahrungsgemäß ziehen sich diese Gerichtsverfahren nämlich über Jahre hinweg, um den Geschädigten mürbe zu machen und zum Einlenken zu bewegen.

In der Tat haben die Versicherer mit dieser zutiefst unmenschlichen Taktik auch regelmäßig Erfolg. Die Entschädigungssummen der Vergleiche sind endlich beschämend niedrig, ja regelrecht eine Schande ohnegleichen.

 

Verleugnung der Folgeschäden

Zuweilen ist es mit einer einmaligen gerichtlichen Klärung mitnichten getan. Ungeachtet der Tatsache, dass die Versicherung zur Zahlung verdonnert wurde und für Folgeschäden aufzukommen hat, beginnt die Tortur von Neuem, falls die Folgeschäden wirklich ein Thema werden. Einmal mehr reist da die Versicherung auf dieselbe Masche, bestreitet rundheraus den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Folgeschäden und verweigert jegliche Zahlung.

 

Tipps was Sie tun können falls die Versicherung nicht zahlen will!

>> To-do-Liste für Opfer zahlungsunwilliger Versicherer

 

Foto: © pressmaster - Fotolia.com

Kategorie: